Die Burgkapelle – ein Kleinod der staufischen Gotik
Die Kapelle der Hl. Erhard und Ursula eines der besterhaltenen Bauwerke der Egerer Burg, gehört zu den sehenswertesten Baudenkmälern der Frühgotik in Mitteleuropa. Über ihre damalige Bedeutung und Besonderheit können Sie im folgenden Artikel lesen.
Ein Kleinod der staufischen Gotik, um das uns die ganze Welt beneiden kann
Im Jahre 2012 gedenken wir der 800 Jahre von der Ausstellung der Goldenen Bulle zu Sizilien, eines erstrangigen Dokuments, das unser Gebiet auf die Dauer zum Königreich und den Böhmenkönig für mehrere Jahrhunderte zu einem Begriff der europäischen Geschichte machte.
Die Bulle hat Friedrich II. ausgestellt, der künftige Kaiser, der im Jahre 1212 lediglich sizilianischer König war. Diese Fakten sind auch Schülern einer Grundschule bekannt, nur wenige wissen jedoch, dass dieser Herrscher aus dem Geschlecht der Staufer, der berühmteste Kaiser des Hochmittelalters und wahrer Vater der italienischen Renaissance sehr gerne im westböhmischen Eger weilte, und mit ihm hier ein Denkmal verbunden ist, um das uns die ganze Welt beneiden kann.
Friedrich II. verbrachte den größten Teil seines Lebens in Italien, aber als er in den Jahren 1212-1220 Mitteleuropa bereiste, machte er regelmäßig in Eger Halt. Aus Urkunden wissen wir, dass er hier im Juli 1213, Juni 1214, im November und Dezember 1215 und im November 1219 weilte.
Im Jahre 1213 empfing er hier auch Přemysl Ottokar I. sowie ausgewählte Würdenträger des Reiches. Mehrmals besuchten Friedrich im Jahre 1214 in Eger auch der König von Böhmen sowie eine Reihe von Persönlichkeiten, z. B. der Magdeburger Erzbischof Albrecht II., der den Bau der ersten gotischen Kathedrale in Deutschland finanzierte.
Ehrengäste, die Friedrich II. auf der Egerer Burg einen Besuch erstatteten, mussten von der Doppelkapelle im Burghof, die zu den bemerkenswertesten Baudenkmälern der Frühgotik in Mitteleuropa gehört, geradezu fasziniert gewesen sein.
Jeder, der sie betritt, ist überrascht. Die Unterkapelle wirkt düster, ähnelt eher einer Krypta, aber die Oberkapelle ist lichtüberflutet und das über Ihnen schwebende frühgotische Kreuzgewölbe gleicht einem wunderschönen Baldachin, getragen von schlanken, äußerst elegant wirkenden Marmorsäulen.
Der Weg zum Licht
Der mystisch wirkende Kontrast der düsteren Unterkapelle und der hellichten Oberkapelle evoziert den Weg vom Dunkel ins Licht, vom finsteren Irdischen zum erstrahlenden Himmlischen. Der Architekt, der dies erfand, wusste ganz genau, wie man einen Besucher empfängt, und es gibt nur wenige Baudenkmäler auf der Welt, wo einem Besucher so intensiv bewusst wird, wie man mit Hilfe von Raumgestaltung, architektonischer Ausschmückung und Steinornamentik raffiniert den Innenraum eines Bauwerks aufleben lassen kann, das vom Burghof betrachtet fast wie eine aus festen Stein errichtete Zwingburg aussieht.
Über die Egerer Palaskapelle und ihren Baubeginn herrschten bei Fachleuten verschiedene und oft auch diametral abweichende Auffassungen. Ein Meilenstein ihrer Datierung war das Versprechen des jungen Friedrich II., dass er die Besitzungen und Rechte der römischen Kirche wahren wird, was er am 12. Juli 1213 durch eine Urkunde "in der Kapelle der Burg zu Eger", wie es in der Urkunde steht, besiegelte.
Einige behaupten, dass die Kapelle zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden habe, dass dieser politischer Akt wohl in der Unterkapelle stattgefunden haben muss, wobei die Oberkapelle noch mit einem Gerüst umgeben gewesen sein dürfte, andere Forscher sind der Meinung, dass die Kapelle bereits im Sommer 1213 in ihrem vollen Glanz vorhanden war. Die Bauherren dieses ausnehmend schönen architektonischen Bauwerks konnten also sowohl Friedrich II., als auch sein Vater, Kaiser Heinrich VI., bzw. auch sein Onkel, König Philipp von Schwaben, gewesen sein.
Der Staufer-Stil
Vieles deutet jedoch darauf hin, dass hinter der Errichtung der Doppelkapelle der Egerer Kaiserpfalz tatsächlich Friedrich II. stand, der berühmteste Herrscher der Stauferdynastie, die von den Deutschen so verehrt wird, wie die Přemysliden oder Luxemburger von uns. Die Kapellenarchitektur charakterisiert nämlich eine Verknüpfung von romanischen und gotischen Stilelementen, was zusammen einen eigenwilligen "Staufer-Stil" ergibt, der bei Friedrichs berühmtesten Bauaufträgen im italienischen Kampanien und Apulien sowie Sizilien zu finden ist.
Friedrich II. war auch ganz besonders an Mathematik interessiert, fundierte Diskussionen führte er z. B. mit Leonardo Fibonacci, der die arabischen Ziffern in die europäische Mathematik einführte. Und die präzise Verarbeitung des Grundrisses des Egerer Bauwerks zeugt davon, dass sich hier deutlich das Talent eines guten Architekten sowie Mathematikers durchsetzte, was z. B. ein typisches Merkmal Friedrichs faszinierenden, auf einem regelmäßig achteckigen Grundriss erbauten Burg Castel del Monte ist.
In Eger geht es aber nicht nur um Architektur, im Innenraum findet der Besucher auch eine sehr reiche plastische Ornamentik. Originell sind vor allem die Säulenkapittele aus Marmor in der Oberkapelle. Auf einem sehen wir Engelfiguren mit Gebetbüchern und Schriftrollen in Händen, auf dem anderen schamlose Figuren, von denen ein junger onanierender Mann bei jedem aufmerksamen Betrachter bestimmt einen unvergesslichen Eindruck hinterlässt. Gut und Böse, Laster und Tugend, genau das war die Art des wesenseigenen Überlegens des auf seinem Hof zugespitzte Polemiken sowie Wortduelle von Dichtern liebenden Friedrich II.
Missachtetes Wunderwerk
Die Egerer Kapelle ist ein künstlerisches Wunderwerk. Nirgendwo anders in Mitteleuropa finden wir ein mit Staufern unmittelbar verbundenes Bauwerk, das sich mit seinem Glanz und Erhaltungszustand mit der Doppelkapelle auf der Egerer Burg messen kann. Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um ein Manifest der originellen staufischen Gotik. Bereits im Jahre 1935 behauptete der amerikanische Forscher Cresswell Shearer, dass eben Eger die sonstigen Bauaufträge des Friedrich II. in Italien ausschlaggebend beeinflusste. Seine hellseherische Behauptung geriet jedoch völlig unbegreiflich in Vergessenheit.
Ganz im Gegenteil, das westböhmische Unikat geriet in Isolation. Für die Deutschen liegt das Denkmal irgendwo in Tschechien, also im Ausland, und für die Tschechen ist es deutsche, nicht in die Geschichte ihrer Volkskunst passende Kunst. Es ist kein Zufall, dass das letzte und einzige einzelveröffentlichte Buch über die Egerer Doppelkapelle im Jahre 1929 erschien, und zwar auf Deutsch. Das Staatsamt für Denkmalpflege führte hier zwar vor fünfundzwanzig Jahren eine umfangreiche bauhistoriche Erforschung des gesamten Objekts durch, das Ergebnis war jedoch lediglich ein auf der Schreibmaschine verfasstes, dickes, heutzutage lediglich in zwei Ausfertigungen vorhandenes Skript.
Stiefmütterlich verhielt sich gegenüber Friedrich II. übrigens auch die Stadt Cheb/Eger. In ihrem Zentrum finden wir ein imposantes Monument mit Daten aller ihrer historisch wichtiger Ereignisse. Völlig unbegreiflich fehlt hier jedoch der Name Friedrichs II. Abgesehen davon, dass er der erstaunlichste Herrscher des europäischen Mittelalters war und abgesehen davon, dass er persönlich Eger sehr mochte und er hier, wann immer er konnte weilte und von hier aus auch bedeutende Staatsentscheide traf.
Autor des Artikels: PhDr. Peter Kováč, Kunsthistoriker
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